Psychologie & Therapie
-
Bin ich zu schüchtern, um Therapeut zu werden?
Als ich in den Kindergarten kam, stand ich in den ersten Wochen am Rand und schaute den anderen Kindern beim Spielen zu. Eine Erzieherin machte sich Sorgen und sprach das beim Abholen an. Meine Eltern, Großeltern, Großtanten und wer sich sonst noch liebevoll um mich kümmerte, waren einiges von mir gewohnt: Vom Plärren im Flugzeug bis zum Zirkus, wo ich zwei Stunden lang den Kopf wegdrehte. Ich hatte Angst vor Orten, an denen menschengroße Figuren standen, vor Schaufensterpuppen, Masken, Perücken, Marionetten und dem Hasen im Osterexpress. Gegenüber Fremden hielt ich mich an vertrauten Beinen fest. Wie oft hörte ich, ich sei schüchtern? Und später die Antwort, dass ich das schon…
-
Fünfundzwanzig und Therapeut – in Ausbildung
Endlich bin ich PiA, Psychotherapeut in Ausbildung. Es regnet seit drei Tagen und ich mache den Spaziergang im Tageslicht, nach dem ich mich seit Silvester sehne, lieber nicht. Im Dezember habe ich die Praktische Tätigkeit 1 in einer Tagesklinik begonnen. Die Praktische Tätigkeit 1 umfasst 1.200 Stunden in einer psychiatrischen Einrichtung und soll genau ein Jahr dauern. Ich bin zu zwei Dritteln als PiA, zu einem Drittel als Psychologe angestellt, arbeite 38,5 Stunden die Woche und verdiene gut 2000 Euro brutto im Monat. Die Ausbildungskosten liegen bei 330 Euro monatlich. Ich stehe um 6:15 Uhr auf, gehe um 7 Uhr aus dem Haus, fahre 10 Minuten Fahrrad, nehme um 7:25…
-
In Teufels Küche: Alkohol ist krebserregend
Ich gehöre zu den sieben Prozent, die keinen Alkohol trinken (Global Drug Survey, 2021). Oft werde ich gefragt, warum und antworte dann sehr knapp. Ich habe viele Gründe, aber vielleicht schulde ich sie der Welt, die Rechtfertigung verlangt für alles, was nicht der Norm entspricht. Vor allem, wenn es mir so vorkommt, als sei nicht ich merkwürdig, sondern die Norm. Ich bin den Freund*innen aus meiner Jugend dankbar, die sich bei Geburtstagen für Softdrinks und auf dem Weihnachtsmarkt für Kinderpunsch entschieden. Das war für mich ein guter Schutz. Als Kind bekam ich mit, wie Verwandte tranken – Probleme mit Alkohol sind in meiner Verwandtschaft nicht selten. Das heißt, auch ich…
-
Was siehst du in diesem Tintenklecks
Was haben Psychologie und das Schreiben historisch gemeinsam? Ganz einfach: TINTE! Es hat viel Spaß gemacht, das Logo dieses Blogs zu erstellen. Ein DIN-A4-Blatt falten, mit schwarzer Wasserfarbe einen halben Tintenklecks malen, ihn scannen, spiegeln und mit Effekten versehen und tada! Heraus kam: Ja, was eigentlich? Was siehst du in diesem Tintenklecks? Einen Käfer? Einen Drachen? Ich sehe ein Rentier. Wer schon mal Therapy gespielt hat, dem ist dieses Fantasierätsel bekannt. In dem Spiel soll man unter anderem erraten, was die meisten Menschen in einem bestimmten Tintenklecks sehen. Schreib gerne als Kommentar, was du darin siehst, es interessiert mich wirklich. Inspiriert zu den Tintenklecksen wurden die Macher*innen von Therapy offenbar…
-
Die Psychologie hinter der Musik
Nach dem Beitrag Das war meine Musik: Das Warme in E-Musik über die Musik meiner Teenagerjahre habe ich mich gefragt: Warum mögen wir bestimmte Lieder und andere nicht? Sagen unsere Lieblingssongs etwas über uns aus? Verändert sich unser Musikgeschmack im Laufe des Lebens und wenn ja, warum? Ich habe recherchiert und dabei auch etwas darüber gelernt, warum wir überhaupt Musik hören, wie sie unsere Stimmung verändern und sogar beeinflussen kann, wen wir mögen. Warum uns Musik so wichtig ist Als Bonneville-Roussy und Kolleg*innen (2013) Studienteilnehmende zwischen 13 und 65 Jahren fragten, wie wichtig ihnen Musik sei, gaben 31% der Teilnehmenden an, eine Leidenschaft für Musik zu haben, 38% war Musik…
-
Auswahlgespräch für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten / zur Psychologischen Psychotherapeutin – Fragen & Tipps
Juhu! Ich habe einen Platz an einem Ausbildungsinstitut für Psychologische Psychotherapieausbildung erhalten. (Das ist die Ausbildung, die man nach einem abgeschlossenen Master in Psychologie machen kann, um Therapeut*in zu werden.) Das Auswahlgespräch war für die Zusage entscheidend. Noten, Lebenslauf, jegliche Zertifikate – angelblich unwichtig. Meine Motivation und persönliche Reife sollten erfasst werden. Vor dem Gespräch hätte ich gerne gewusst, welche Fragen mir dazu gestellt werden würden. Auf ein paar Fragen habe ich mich vorbereitet, aber die meisten kamen überraschend … Mein erster Tipp für alle, denen ihr Auswahlgespräch noch bevorsteht: Sprecht mit Personen, die das Gespräch schon hinter sich haben. Welche Fragen wurden ihnen gestellt? Was scheint dem Institut wichtig…
-
Was hilft
„And it’s hard to hold a candle / In the cold November rain“ – Guns N‘ Roses Ich zünde ein Licht an. Meine Liebe wohnt gegenüber einer Kapelle, in der immer, wenn ich dort bin, einige Kerzen brennen. Und manchmal, wenn jemand einen Hoffnungsschimmer braucht, geht sie einfach hinüber und zündet ein Teelicht an. Ich erlebe sie nicht als sehr gläubig, aber sie mag Metaphern. Blogbeiträge sind auch wie Lichter, die man von zu Hause aus anzünden kann. Die Luminanz eines Bildschirms ist vergleichbar mit Tageslicht, das weckt und wachhält. Novemberlicht kann wunderschön sein, aber auch ermüdend. Sobald es droht, mich in eine bad mood zu versetzen, hilft mir, mich…
-
Warum Verschwörungstheorien
Ich habe mich heute ein paar Stunden lang mit Verschwörungstheorien befasst. An manchen Sonntagen, nachdem ich Sport gemacht habe, anstatt in die Kirche zu gehen, picke ich mir ein Thema heraus, das mich derzeit bewegt und versuche, darin Experte zu werden. Ich suche nach Studien und lande schließlich bei leicht verständlichen Podcasts, Videos und Blogbeiträgen. Danach könnte ich einen eigenen Beitrag über das Thema verfassen, aber oft fühle ich mich dazu nicht bereit. Wenn Wissenschaft eine Annäherung an die Wahrheit ist, ist das, was ich tue, ein Herantasten an die Annäherung der Wahrheit und ich kann nicht verantworten, dass Leute mir glauben. Dabei hat sich der Drang in mir angestaut,…
-
Denken ist schwer
„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ – C. G. Jung Es passierte mit dir im Autokino, als wir uns den „Joker“ ansahen. Vorher im Bus, als wir über Schule sprachen. Ich dachte. Wo werden wir mehr bewertet als in der Schule? Die Antwort ist vermutlich: Nirgends weniger. Warum willst du wissen, welche Noten ich habe? Was meine Eltern beruflich machen? Woher ich komme? Und warum will ich dir all das nicht verraten? Ich schätze (und selbst das womöglich voreilig?), du willst mich mit diesen Informationen besser einschätzen können, um mehr Kontrolle zu haben, weniger überrascht zu werden, dafür nicht ernsthaft nachdenken zu müssen und weil du danach strebst, dich…