Deutschland

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    Da ba dee Norderney

    Was für ein viel zu heißer, aber schöner Sommer, dieser Sommer ’22. Mit dem Semesterticket, Bus und Bahn, geht es durch Deutschland: Zurück in die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, zu meiner Familie und meinen längsten Freund*innen. An geheime Orte, wo nur ein Bus hinfährt. Auf eine mehrtägige Radtour an der Weser entlang, an einem Bahnhof lese ich: „Ein Reisender ist jemand, der sein Leben in vollen Zügen genießt.“ Ich ergattere den letzten Sitzplatz und fahre zum ersten Junggesellinnenabschied in meine erste Studienstadt. Unser Lieblingsclub ist immer noch da, vor dem Kiosk am Unihauptgebäude stehen sie Schlange. An den Wochenenden zelten wir auf dem Land, radeln rüber nach Holland…

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    Erich Kästner Haus für Literatur (Dresden)

    „Wenn ihr kämt und nicht nur schriebt! / Doch man steht wie in der Wüste / und begafft die Bronzebüste / eines Gottes, den’s nicht gibt.“ – Erich Kästner, Sentimentale Reise Ich sitze auf einer Bank im Garten des Erich Kästner Hauses. Die Villa habe Kästners Onkel gehört, berichtete eine Mitarbeiterin in der Einführung zu Beginn. Kästner habe den Garten geliebt, er habe hier mit seiner Cousine gespielt und der Garten sei Schauplatz von „Pünktchen und Anton“ geworden. Heute besteht er zu einem größeren Teil aus Kieswegen, aber auch aus Rasen, Büschen, Bäumen und anderen Pflanzen, die den Spielplatz erahnen lassen, der er einmal war. Auf der Mauer sitzt ein…

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    Berlin, Tag 4

    „Berlin war wie New York, ein meilenweit entfernter Ort“ – Bosse, Schönste Zeit Oder wie Paris. Ein letztes Frühstück in dem fabrikhohen Empfangsraum, Tomate-Mozzarella, Laugenbrötchen, O-Saft, Kuchen, Luxus für uns. Noch einmal ein verpacktes Schokocroissant mitgehen lassen. Abfahren, ich könnte ewig mit dir fahren. Wenn wir stehenbleiben, will ich neben dir sitzen bleiben und nicht aussteigen. Let her go, schon so ein altes Lied und ich verstehe die häufigste Zeile erst jetzt. Nicht „du kennst deine Geliebte erst, wenn du sie gehen lässt“, sondern „du weißt erst, dass du sie liebst, wenn du sie gehen lässt“. Ich muss dich nicht erst gehen lassen, um zu wissen, dass ich dich liebe,…

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    Berlin, Tag 3

    „Kurze Tage, lange Nächte“ – KUULT, Berlin! Kaputte Gestalten in der U-Bahn. Jeder will frei sein, aber wie viel Raum hat hier jeder für sich? Im Futurium träumen wir von der Zukunft, von eigenem Anbau und biologischem Abbau, von Robotern, die unsere Angelegenheiten regeln und einer grünen Großstadt. Draußen schlägt uns Beton entgegen. Wir nehmen Reichstag und Brandenburger Tor mit, machen die Bilder im Kopf so scharf, als hätten wir hier gelebt. An der Museumsinsel setzen wir uns auf die Brückenmauer. Nur eine Bewegung zum Fall und ins Nass, aber dass es zu dieser Bewegung kommt, ist unwahrscheinlich und der Blick in die Weite macht Spaß. Im nächsten Park benutzt…

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    Berlin, Tag 2

    „First we take Manhattan, then we take Berlin“ – Leonard Cohen Wir machen es umgekehrt. Just Kids, wie Patti Smith und Robert Mapplethorpe. Einfach los, in die falsche Richtung laufen. Wie viel Müll auf diesen Straßen liegt. Sie erinnern mich an meine Geburtsstadt, mein Elternhaus könnte hinter die nächste Ecke passen, nur liegen dort nicht so viele Scherben, Autoteile und Pommesreste herum. Berlin-Tempelhof. Vertrocknetes Graß. Zum ersten Mal von unten aus Weite. Siegesgesang der Vögel. Der ehemalige Flughafen wird von der Natur zurückerobert. Blumenwiese. Ein herabstürzender Falke. Mauselöcher. Auf der Landebahn breite ich die Arme aus und du schießt Fotos. Stasi-Museum. Erinnerungen an Geschichte. Wissenserweiterung. Seit der Schule wiege ich…

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    Berlin, Tag 1

    „Jour un, amour numéro un“ – Louane Die Roadtrip-Playlist so lang wie die Fahrt. Als wir aus dem Auto steigen, schlägt uns Qualm entgegen. Im Hotel unter die Dusche. Die Vorhänge zuziehen, nackt durch den Raum laufen. Ein Zimmer für knapp fünfundzwanzig Euro die Nacht. Auf der Fensterbank Bücher. Auf dem Doppelbett liegen, ein Akt der Zwanziger Jahre. Durch Kreuzberg laufen. Menschen ohne Abstand. Hohe Häuser im Stil der Kaiserzeit. Gutes Gyros. Im Antiquariat zeitreisen und im Straßenrandcafé in der Abendsonne Malzbier trinken. Den Viktoriapark bis zum Mahnmal hochlaufen, auf eine Art Champs-Élysées blicken und auf die graue Silhouette Berlins. Schwalben, schwarze Möwen. Freiheit, die im Bauch kribbelt. La HaBana,…