Reisen,  Skandinavien

Roadtrip durch Skandinavien Teil 2: Schweden

Fortsetzung des Beitrags Roadtrip durch Skandinavien Teil 1: Norwegen

Tag 10
An der Grenze zu Schweden ändert die graue Fahrbahn ihre Farbe. Sie wird rot, wie der norwegisch weiße Holzhausstil. Schlaglöcher ersetzen die Maut. Es regnet, nieselt und schüttet abwechselnd. Als wir beim Kochen die Schiebetür öffnen, schwirren Mücken herein. Im Wald kämpft eine Armee aus hunderten um mein Blut.
Auf der Insel Sillerön im Siljansee finden wir hinter einem Feld mit Wikingergräbern einen kostenfreien Stellplatz am Ufer mit Blick auf einen kleinen Hafen und Strand. Bei 15°C und Nieselregen gehen wir baden, der See ist wärmer als das Meer, mit Suppengrün anstatt Salz gewürzt. Anschließend löffeln wir Gemüsebrühe.

Tag 11
Jedes Kuhkaff hat eine Bibliothek. Wir fahren nach Falun und werfen einen demütigen Blick in den Krater einer Kupfergrube.
Als wir den Elchpark erreichen, regnet es wieder.
„Elchwetter“, sagt die Frau, die uns zu den Elchen führt. Die Elche kommen mir vor wie Wesen aus einer anderen Zeit. Eiszeit. Die Frau drückt uns einen Strauß Birkenzweige in die Hand. Damit füttern wir zuerst Ferdinand, den Vater von sechs Kälbern. Er kam 2016 als Findelkalb in den Park, wurde mit der Flasche großgezogen, liebt Bananen und ist ruhig und zutraulich. Sein Geweih ist noch befellt. Außer ihm und den anderthalb Monate alten Kälbern leben ein einjähriger Teenagerbulle und drei fünfjährige Elchkühe, die jeweils Zwillinge geboren haben, in dem Gehege. Eine Mutter und die Kälber sind besonders wild nach den jungen Blättern und lassen sich streichen. Einmal Heruntergefallenes fressen sie nicht. So süß!
Auf der Suche nach einem Platz für die Nacht kommen wir durch eine kleine Siedlung, in der wir offenbar nicht so willkommen sind, wie das Willkommensschild am Ortseingang suggeriert. Das anschließende Waldstück ist eine Sackgasse, aus der wir nur mit Mühe im Rückwärtsgang wieder herauskommen. Alter Schwede!
Ein paar Kilometer weiter finden wir in einem anderen, dünn bewachsenen Waldgebiet am Straßenrand einen Schotterplatz, wo wir stehen bleiben.

Tag 12
Am Wasserschloss von Örebro haben wir Pech bei der Suche nach einem Parkplatz und fahren weiter. Zuerst erkenne ich die Tiere auf den Feldern nicht. Du bist schneller: Steinböcke. Mehr Weite, weniger Wald. Es regnet immer noch.
Unsere Lebensmittelvorräte werden reichen, aber uns sind Kekse und Wasser ausgegangen, die wir einkaufen.
Auf Landstraßen halten uns häufig kennzeichenlose, sehr langsam fahrende Autos mit rotem Warndreieck, in denen Kinder am Steuer sitzen, oder Traktoren auf. Auf der Autobahn stürmt es, aus einem Anhänger weht uns eine Tüte entgegen.
Am See Åsunden in Västergötland können wir heute kostenlos stehen. Wir füttern Enten mit Haferflocken, ein Paar hängt bei den Wohnmobilen rum, während der restliche Schof auf einem Steg chillt. Auf unserem Spaziergang legen wir uns ebenfalls auf einen Steg, als kurz die Sonne durchblickt. Wir kommen an Kirschbäumen vorbei, deren kleine Kirschen gerade reif sind, und pflücken ein paar.
Anschließend gehen wir baden. Menschen in Mänteln werfen uns fassungslose Blicke zu. Sie trägt Stulpen, sagst du. Ich sehe es ohne Brille nicht.

Tag 13
Astrid Lindgren sitzt mir an einer Schreibmaschine gegenüber, in Bronze auf dem zentralen Platz in Vimmerby. Es sind nur wenige Schritte bis zur Buchhandlung, in der ihre Bücher verkauft werden, auch in deutschen Ausgaben. Dann suchen wir sie auf dem Friedhof und finden ihr Grab neben dem ihrer Eltern.
Wir besuchen den Hof, in dem ihr Leben begann. Heute beherbergt er ein Museum, in einem privaten Abschnitt wohnen noch Angehörige. Eine Videoinstallation zu Beginn lässt uns eintauchen in Lindgrens Kindheit auf dem Land und die Liebe zu Geschichten. Die Ausstellung vermittelt ihre Geschichte. Zum Schluss wandeln wir durch den Garten, an Hühnern und Kaninchen vorbei, einen Bach entlang, zu Gemüsebeeten. Früher lagen ringsherum Weiden, für deren Erhalt die Autorin zuletzt kämpfte. Heute befindet sich das Grundstück mitten in einer neumodischen Siedlung.
Unweit entfernt in Lönneberga machen wir uns Michel zu Ehren Blaubeerpfannkuchen, neben einem Holzschuppen, in der er als Holzfigur mit von Kinderhand geschnitzten Figuren sitzt. Hier heißt er Emil.
Unser nächstes Ziel ist der Hof, wo Lindgrens Vater aufwuchs. Der Hof war Schauplatz der „Kinder aus Bullerbü“. Am Parkplatz kassieren drei Jugendliche 50 Kronen, wie Michel am Gatter, inspiriert vom ersten Job von Lindgrens Vater. Hier ist es abgesehen von der Straße und dem Tourismus so idyllisch, dass wir uns in eine Kindheit vor 150 Jahren einfühlen können. Kälber, Kühe, Kaninchen, ein Schuppen mit Stroh zum Springen.
Der Katthult-Hof, wo Michel aus Lönneberga zum Großteil gedreht wurde, ist zuletzt dran. Das Hauptgebäude ist in Privatbesitz, aber andere Gebäude wie der Holzschuppen, das Plumpsklo, Alfreds Haus und die Waschküche sind öffentlich zugänglich. Schweine, Hühner, Zicklein, Stelzen, die Fahne, an der Michel Klein-Ida hochzog und der Zaun, wo er Kutschern die Mütze hinhielt. Wir zahlen für den Besuch der Anlage 80 Kronen pro Person.
Mit dem Lindgren Museum für 220 Kronen pro Person ein teurer Tag, der es uns wert war. An einem Waldsee finden wir einen kostenlosen Stellplatz für eine Nacht in Småland.

Tag 14
Das Wetter ist an diesem Morgen spürbar anders, strahlend. Dafür geraten wir früh in einen Stau, nichts geht mehr. Nach einer Viertelstunde drehen wir um, fahren in ein Waldstück, Sackgasse. Wir fahren zurück und biegen am Stauende rechts ab. Die Route führt zu wunderschönen Seen. An einem halten wir und verbringen dort den Mittag. Sonnenbaden, lesen, richtig baden, Schach spielen, Tucs essen.
Auf der Autobahn Richtung Stockholm glaube ich, mich tritt ein Elch, als ich hinter dem Schutzzaun einen wilden mit Geweih stehen und an Blättern knabbern sehe. Du siehst ihn nach meinem Aufschrei auch.
Oxelösund gewährt uns über Nacht am Wasser zu stehen. Es handelt sich wieder um Meerwasser. Mit Wolldecke und E-Books legen wir uns auf eine der breiten Holzliegen ans Ufer. Möwen kreischen, Entenküken schwimmen vorbei, hinten springen Kinder über einen Steg ins Wasser.
Als wir die Gegend erkunden, entdecken wir goldene Riesen in einem Vorgarten. Nur die Sphinx muss größer sein.

Tag 15
Heute ist es wieder sonnig und wir legen uns an den Strand einer Badeinsel bei Trosa, wo es einen Steg mit dreiebenem Sprungturm gibt. Das Meer ist karibisch schön, vor uns liegen Schären mit vereinzelten roten Häuschen. Es weht ein frischer Wind, aber wir gehen trotzdem ins Wasser, verwerfen den Plan, zum Sprungturm zu schwimmen, allerdings schnell.
Wir sehen uns das süße Städtchen Trosa mit viel Rosa an und essen in einem Schnellimbiss mit blauhölzernem Mobiliar und Instrumentalcovers Fisch.
Eine Stunde dürfen wir dort, aber 24 Stunden auf einem Parkplatz an einer Badestelle bei Södertälje stehen. Dort legen wir uns wieder an den Strand. Eine der forschen Enten, die sich auf unsere Picknickdecke wagen, zwickt dich in den Hintern. Nach einer Regenpause kommen wir mit Haferflocken wieder, aber nur eine Ente ist noch da. Wir locken sie mit den Flocken an und ihre Küken springen aus dem Schilf. Abwechselnd fressen sie die Flocken und nippen Wasser.
Auf dem Rückweg zum Parkplatz kommen uns plötzlich dutzende Kanadagänse entgegen, ebenfalls mit Küken. Riesenküken. Ich mache den Fehler, ihnen eine Handvoll Flocken hinzuwerfen. Sie kommen auf uns zu. Fauchend. Indem ich noch eine Handvoll an den Wegrand streue, kann ich sie ablenken. Bemerkenswert, dass die Großen ausschließlich die Kleinen fressen lassen.

Tag 16
Von Södertälje Hafen fahren wir mit der Bahn nach Stockholm. Zwei Markthallen, teuer, schick, mit Elchköpfen dekoriert und Elchfleisch im Verkauf, zwei englische Buchhandlungen, eine verschreibt sich Science-Fiction, bietet aber auch andere Genres an. Was für schöne Cover, Fassaden. Wir essen bezahlbare Burger und besuchen das Nobelpreismuseum, oberflächlich, unstrukturiert, Highlight ist ein Paar Schuhe Selma Lagerlöfs. Verkehr, Menschenmassen, Lärm, in der Altstadt moderner Tourismus. Mehr Konsum als Kultur auf den ersten Blick und wir haben zu wenig Zeit für die kleinen Orte in der Großstadt.
Später finden wir Ruhe am See, wo wir eine letzte Nacht im Wohnmobil verbringen. Winzige Frösche hüpfen über den Kies, so viele, dass es auch bei genauem Hinsehen kaum möglich ist, keinen zu zertreten. Die Weinbergschnecken heben wir auf und werfen sie seitlich ins Gras, die Nacktschnecken lassen wir kriechen.
Auf den Steg fallen späte Sonnenstrahlen, die Wasseroberfläche ist lauwarm. In Badesachen wären wir sofort hineingesprungen, aber wir hatten heute Morgen schon eine warme Dusche in der Sanitäranlage des Badeplatzes, wo wir über Nacht standen.
Nebel liegt über den Ähren.

Tag 17
Am Gate des Flughafens schreibst du über unseren letzten Tag:
Wir stehen früher auf als an allen anderen Tagen, um die Eltern pünktlich vom Flughafen Arlanda einzusammeln. Gemeinsam fahren wir zur Altstadt von Uppsala (Gamla Uppsala), setzen die Eltern für eine kurze Mittagspause ab und machen uns auf den Weg, um das Wohnmobil zu leeren, zu befüllen, zu saugen und aufzuräumen. Daheim dringend Benötigtes wird in das Fluggepäck gepackt, der Rest fährt nun ohne uns noch eine Weile weiter durch Skandinavien.
Gemeinsam geht es in ein Wohnviertel – offenbar für Studierende der Universität Uppsala – und ein „Restaurang“ (schwedisch für Restaurant) wo Kebab, Gyros und Falafel auf Einladung der daheim verbliebenen Großmutter gegessen werden. Danach geht es in die Innenstadt von Uppsala, wo mit Blick auf hübsche, alte Gebäude einer von vielen kurzen Regenschauern bei Kaffee, Tee und Kakao abgewartet wird.
Heimische dagegen wählen hierzu ein Ganzkörperregencape oder genießen die Abkühlung von oben freudestrahlend mit ausgestreckten Armen.
Dann geht es rechtzeitig zum Flughafen, während die Eltern unseren letzten Stellplatz als ihren ersten wählen. Jeder macht sich Sorgen um die weitere Reise des anderen, die Jungen aber besonders um die Alten.

Unsere Route:

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