Reisen,  Slowakei

Bratislava mit mei’m Lava

In Vilnius picknickte ich mit ein paar Mitbewohnerinnen aus dem Wohnheim auf einer Lichtung. Ein Mädchen aus Singapur berichtete, dass sich seine Mutter und Schwester nach Vilnius Bratislava ansehen würden.
„Ich will auch nach Bratislava“, sagte ich, allein wegen des Namens. Bratislava klingt nach glühenden Sonnenuntergängen über goldverkuppelten Kirchen. Die slowakische Mitbewohnerin lächelte mich erwartungsvoll an.
„Ist es die Hauptstadt der Slowakei?“, fragte ich. Sie nickte. Ich war nicht besser als die Leute, die fragen, wo Vilnius liegt.

An dem Tag rechnete ich nicht damit, mein neues Reiseziel noch im selben Jahr zu erreichen. Monate später in Wien denke ich nicht daran, bis mein Freund und ich entdecken, dass wir quasi nebenan sind.

Nach etwa einer Stunde Zugfahrt passieren wir die Grenze. Es sieht sofort anders aus: Plattenbauten, Baustellen. Die Sonne strahlt heller, die Sprache ist plötzlich eine andere. Jetzt sind wir in einem direkten Nachbarland der Ukraine. Im Bahnhofsgebäude hängt ein Mosaik, das ich der griechischen Mythologie zugeordnet hätte, wäre da nicht Sputnik. Vor dem Bahnhof stehen Buden. Ich fühle mich an Litauen erinnert.

Diese Baustellenstraße versetzt mich zurück nach Kaunas.

Wir laufen über eine Brücke, die sich von Stadtteil zu Stadtteil über die Autobahn spannt wie über einen Fluss. Ein Plan an der Seite der Brücke verspricht, ein Tunneldach über die Straße zu bauen und darauf einen Park anzulegen. Die Brücke endet an Festungsmauern, die wir entlanglaufen und an denen Infotafeln über wichtige, jüdische Persönlichkeiten der Stadt hängen.

In der Ferne ist das UFO auf dem Pylon der Brücke des Slowakischen Nationalaufstandes zu sehen, das ein Restaurant beherbergt.

Hinter den Mauern liegt die Altstadt. Wir betreten einen Süßigkeitenladen, der Gummibärchen in allen möglichen Formen anbietet. Für meine Kolleg*innen im neurowissenschaftlichen Forschungsinstitut kaufe ich eine Tüte Gehirne.

In einem Café trinken wir einen Tee und googeln die Top-Sehenswürdigkeiten. Darunter finden wir die Burg Devín. Auf Deutsch heißt sie Burg Theben, was aber nichts mit dem altägyptischen oder griechischen Theben zu tun hat. Auf den Bildern sieht die Burg devine aus! Ich muss meinen Freund nicht lange überreden, in den nächsten Bus zu steigen und hinzufahren.
Der Bus braucht auch nicht lange und fährt an einem Fluss entlang in den dörflichen Stadtteil Devín. In der grünhügeligen Landschaft fühle ich mich, als wir aussteigen, erst richtig im Urlaub. Google Maps zeigt 13 Minuten bis zur Burg an, dabei sieht sie viel weiter weg und nach einem steilen Aufstieg aus. Es sind dann aber tatsächlich rund zehn Minuten ohne viel Steigung. Hinter den Toren müssen wir mit Studierendenausweisen drei Euro Eintritt zahlen.

Die beeindruckendste Festungsruine, die ich je betreten habe.

Ein Weg führt uns zum Burghof und einer der Hauptattraktionen: Ein 55 Meter tiefer Brunnen, an dem ein Eimer Wasser steht. Ein Junge kippt etwas Wasser hinein. Beim nächsten Mal stoppt mein Freund die Zeit. Es dauert fast vier Sekunden, bis das Platschen zu hören ist.
Im Brunnen sollen Knochen gefunden worden sein, lesen wir im Museum, das die Geschichte der Burg erzählt. Das wundert mich nicht, es war sicher ein Leichtes, aus Versehen hineinzufallen oder geschubst zu werden. Ich will mir nicht vorstellen, wie Menschen das Leichenwasser tranken.

Schon zu Urzeiten hatten Kelten diesen Ort besiedelt. Nach ihnen kamen die Römer und errichteten einen Grenzposten. Die Burg wurde, von den Slawen erbaut, 864 erstmals urkundlich erwähnt. Napoleons Jungs sprengten sie 1809 in die Luft – weshalb, bleibt ein Rätsel.

Die Festung thront über Donau und March, wunderschön gelegen.

Sprachlos genießen wir die Landschaft. Kanufahrer paddeln vorbei, erst langsam auf der March, dann schnell in den Strömungen der Donau. Über’s Wasser konnte der Feind rasch um die Ecke kommen.

Das klare Wasser der March fließt in das trübe Wasser der Donau.

Ein düsterer Gang, durch den wir gehen, entstand bereits vor der Burg, als das Gestein noch unter Wasser lag. Den Erbauern der Burg kamen die Höhlen zugute.

Auf den Wiesen der Festungsanlage grasen heute Ziegen und Schafe – ein Projekt, das den Rasenmäher ersetzt.

Wir fahren zurück in die Altstadt. Dort sehen wir den berühmten „Gaffer“ aus dem Gulli gucken.

Cafés und ein Brunnen, ein Künstler und Musik verleihen dem Rathausplatz seinen Charme. Am Rathaus gehen wir durch eine schmale Gasse.

Das Rathaus im Licht.

Schon erblicken wir das Primatialpalais. Darin wurde 1805 nach der von Napoleon gewonnenen Schlacht bei Austerlitz der Frieden von Pressburg unterzeichnet, der „dem Reich des österreichischen Kaisers Franz I. Venezien, Istrien, Dalmalien und Tirol entriss, Napoleon hingegen auf den Gipfel seiner Macht erhob“, wie auf einer Steintafel am Haus steht.

Primatialpalais.
Innenhof des Primatialpalais‘.

Wir schlendern weiter, unter Regenschirmen her, unter denen regelmäßig fotografiert wird, wenn es gerade niemand anderes tut. Allmählich macht sich der Hunger bemerkbar.

Wir verlassen die Altstadt und erblicken an einer breiten Straße, über die sich Trolleybahn-Leitungen spannen wie in Vilnius, ein Gebäude, an dem „Food Court“ steht. Zwar nicht die Alte Markthalle, aber wir finden dort super gutes asiatisches Essen, das wir an einem Tisch in der Mitte der Halle verputzen. Mir gefällt das System der Restaurants an der Seite und Tische in der Mitte, so kann sich jede*r holen, was er oder sie mag.

Im Schatten der Halle ist eine Art Street-Food-Festival aufgebaut, wo es nur wenige Speisen, dafür umso mehr Getränke zu kaufen gibt. Satt und zufrieden machen wir den Abgang und uns auf den Weg zur Sankt-Elisabeth-Kirche.

Ob die Glocken unter der Uhr zu voller Stunde läuten, erfahren wir nicht mehr.
Wohngebiet.

Die Sankt-Elisabeth-Kirche ist so babyblau wie Bügelperlen, aber nicht orthodox, sondern römisch-katholisch.

Ähnlich beschaffen, nur in Gelb, ist die Schule gegenüber.

Geshoppt wird offenbar wie in Vilnius weniger in der Altstadt, als in diesem riesigen Einkaufszentrum:

Am Donauufer reihen sich die Bars aneinander. Gegessen wird auch hier wenig, getrunken anscheinend umso mehr.

Von hier ist wieder das UFO zu sehen.

In der Altstadt finden wir ein gemütliches Café, auf dessen gepolsterte Bänke wir uns draußen setzen. Wir decken uns zu, trinken einen unfassbar leckeren Marshmallow-Kakao und beobachten Menschen und ihre Hunde.

Aus Vilnius kenne ich zwei, die in Bratislava wohnen. Ich bin ihnen beiden gerade so nah, ohne dass sie es wissen. Beim nächsten Mal bleibt vielleicht genug Zeit, sie wiederzusehen. Für meinen Freund und mich geht es jetzt zurück zum Bahnhof, zurück nach Wien, zurück nach Hause.

Ein Kommentar

  • P S

    Die überraschenden Reisen sind oft die schönsten, manchmal würde es lohnen, vier Minuten zu warten, um etwas zu erfahren, was man sonst nie erfahren hätte. Travellers don’t hurry.

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