Psychologie & Therapie,  Reisen

Drei Monate Singapur – Interview mit einer Psychologin

Eine Freundin von mir, die wie ich Psychologie studiert hat, ist gerade beruflich in Singapur. Ich habe sie über Singapur selbst, ihre Reisen, ihre Arbeit und rückblickend über das Psychologiestudium interviewt und dabei große Reiselust bekommen. Lest selbst!

Als ich mich in der zehnten Klasse zum ersten Mal mit dir unterhalten habe, wollten wir beide Psychologie studieren, aber aus verschiedenen Gründen. Ich wollte Therapeutin werden und du wolltest in die wirtschaftliche Richtung gehen. Jetzt sind wir beide fertig mit dem Studium und unsere Karrieren könnten unterschiedlicher nicht sein. Mich fasziniert, wohin die Psychologie dich gebracht hat: Nach Singapur! Dort darfst du gerade für drei Monate arbeiten und leben. Wie hast du die Möglichkeit dazu bekommen?

Nach Singapur bin ich als sogenannte Expatriate, kurz „Expat“ gekommen. Im Rahmen einer solchen Entsendung wird der bestehende Vertrag mit der Heimatgesellschaft des Unternehmens um Zusatzvereinbarungen für einen (zeitlich begrenzten) Auslandsaufenthalt erweitert. Ziel meiner dreimonatigen Entsendung an den Standort Singapur in der Region Asien Pazifik ist meine persönliche Weiterentwicklung, zum Beispiel durch den Erwerb interkultureller Kompetenzen und auch die Vernetzung mit den Kolleg*innen vor Ort.

Warum hast du dich für Singapur entschieden? Welche Möglichkeiten gab es noch?

Da mein Unternehmen weltweit an einer Vielzahl von Standorten vertreten ist, hätte ich grundsätzlich sehr viele Möglichkeiten gehabt. Für Singapur habe ich mich dann unter anderem aufgrund der exzellenten Lebensqualität in diesem hochmodernen Stadtstaat entschieden. Zum Beispiel gibt es hier eine große Auswahl an Freizeitmöglichkeiten, leckeres Essen, eine gute Infrastruktur und eine hohe Sicherheit. Zum anderen ist es eine einzigartige Erfahrung, für drei Monate in der multikulturellen Gesellschaft Singapurs zu leben, die Heimat verschiedenster Ethnien, Sprachen und Religionen ist. Schließlich gilt Singapur auch als Tor nach Südostasien. Für meine Wochenendplanung bedeutet das konkret, dass ich sehr schnell auch mal nur von Freitag bis Sonntag in ein anderes Land in Südostasien fliegen kann. Hat man noch etwas länger Zeit, dann lohnt sich auch ein Trip nach Ostasien oder Australien.

Was sind deine Lieblingsorte in Singapur?

Eines meiner Highlights ist die Gardens By the Bay Light Show, die das Foto mit den künstlichen Bäumen, den sogenannten Supertrees, zeigt, das ich dir geschickt habe. Die Show findet jeden Abend statt und jeden Monat gibt es eine neue Show mit einem anderen Thema. Das ist wirklich magisch! Was mich an Singapur besonders fasziniert, ist, wie grün diese Stadt ist! Singapur ist sogar die grünste Stadt Asiens und mit den Begrünungsprojekten an vielen Hochhäusern zudem ein Vorbild für nachhaltige Architektur. Kein Wunder also, dass auch die Parkanlagen Singapurs zu meinen Lieblingsorten zählen. Viele Parks in Singapur sind über das sogenannte Park Connector Network miteinander verbunden. Das ist ein Netzwerk an Geh-, Lauf- und Radwegen, über das man stundenlang von Park zu Park laufen könnte. Eine der schönsten Parkanlagen ist der MacRitchie Park, in dem es auch einen Treetop Walk in den Baumwipfeln gibt. Wenn man mit dem Bus nur 20 Minuten aus der Stadt rausfährt, ist es dort wie im Urwald und man begegnet Affen, das ist der Wahnsinn.

Affen, echt? Bist du einem mal nahe gekommen?

Ja, tatsächlich! Die sind teilweise auch recht aggressiv. Man muss aufpassen, wenn man Essen in der Hand hat oder der Rucksack knistert. Einer hat sich mir genähert und ist fast an mir hochgestiegen. Aber süß sind sie, diese Makaken.

Darüber hinaus sind die Street Food Center eine einzigartige Erfahrung, weil du dort chinesisches, malaiisches, indisches, vietnamesisches Essen und alles Mögliche an asiatischem Essen probieren kannst, und zwar zu sehr geringen Preisen und wirklich guter Qualität.

Das kommt alles auf meine Liste. Hast du noch weitere Tipps für Sehenswürdigkeiten in Singapur?

Definitiv. Sehr bekannt ist das Marina Bay Sands Hotel. Das ist ein sehr nobles Hotel, dessen Form einem Boot gleicht. Wenn man dort hochfährt, hat man eine spektakuläre Aussicht über die Stadt. Generell lohnt sich die Bucht Marina Bay. Auch dort gibt es an den Wochenenden eine tolle Light Show. Die Botanischen Gärten von Singapur sind sehenswert. Und natürlich aufgrund des multikulturellen Charakters der Stadt Chinatown, Little India und die arabische Straße. Dort kann man sehr gut essen und zugleich das kulturelle Leben beobachten. Wenn man an den Strand möchte, kann man nach Sentosa Island fahren. Dort gibt es neben einer riesigen Freizeitparkanlage einen künstlichen Strand.

Gibt es auch etwas, was ich beachten sollte, wenn ich nach Singapur reise? Was sollte ich über Klima, Krankheiten oder die Sicherheit wissen?

Es ist das ganze Jahr über tropisch heiß, bei einer extrem hohen Luftfeuchtigkeit, damit muss man als Europäer*in erst mal klarkommen. Und es gibt nicht wirklich Jahreszeiten, das heißt, das ist das ganze Jahr von Januar bis Dezember so. Es gibt allerdings eine bestimmte Zeit im Jahr, in der es verstärkt regnet. Als ich im Januar angekommen bin, hat es beispielsweise sehr viel geregnet. Und wenn man in einen solchen tropischen Schauer gerät, ist man innerhalb von Sekunden trotz Regenschirm komplett durchnässt. Was Krankheiten anbelangt, sollte man für guten Mückenschutz sorgen. Singapur gilt zwar als malariafrei, aber es gab in den letzten Jahren einige Fälle von Dengue Fieber. Ansonsten ist Singapur eine der sichersten Städte der Welt. Auch abends fühle mich auf den Straßen sehr sicher.

Ich habe gehört, dass in Singapur teils strenge Gesetze herrschen, zum Beispiel zum Umgang mit Kaugummis. Worauf sollte ich diesbezüglich achten?

Kaugummis kann man hier weder kaufen noch darf man sie kauen. Hintergrund ist, dass Singapur öffentliche Plätze sauber halten möchte. In öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch zum Teil auf öffentlichen Plätzen ist Essen und Trinken nicht erlaubt. Dafür gibt es hohe Geldstrafen von zum Teil mehreren hundert Singapur Dollar. Rauchen an öffentlichen Plätzen ist ebenso verboten und wird bestraft. Ansonsten solltest du den Linksverkehr beachten und erst nach rechts schauen, bevor du über die Straße gehst; das vergisst man so manches Mal.

Ein Fallstrick im Verkehrsknotenpunkt sozusagen. Wohin bist du von Singapur schon gereist? Und was hast du dabei Besonderes gesehen?

Meine erste Reise ging nach Kuala Lumpur in die Hauptstadt Malaysias, nur eine Flugstunde von Singapur entfernt. Kuala Lumpur hat eine beeindruckende Skyline und mit den Petrona Towers die höchsten Twin Towers der Welt. Wenn man auf eine der Aussichtsplattformen der Hochhäuser fährt, hat man einen fantastischen Ausblick und kann bis in die malaysische Berge schauen. Zudem haben mich die Batu Caves beeindruckt, ein indischer Tempel in einer Höhle. Bunte Treppen führen zu dem Tempel hoch. Davor steht eine gewaltige goldene Statue. Und gerade früh morgens herrscht eine ganz tolle Stimmung dort. Dann laufen Inder*innen die Treppen hoch und halten Zeremonien oben im Tempel ab.

Danach war ich in Sydney für fünf Tage. Besonders beeindruckend fand ich die Natur um Sydney herum. Der Bondi Beach ist der bekannteste Surfer Beach. Von dort aus kann man in zwei Stunden über verschiedene Strände hinweg einen sechs Kilometer langen Walk mit wunderschönen Ausblicken an der Küste entlanglaufen.

Außerdem habe ich eine Sunset Tour in den Blue Mountains gemacht, die etwa anderthalb Stunden vor Sydney liegen. Das war auch richtig cool, obwohl mir der Guide ein bisschen Angst gemacht hat, als er uns erzählt hat, wir würden eventuell einer Schlange begegnen, die in der Lage ist, mit einem einzigen Biss zehn Elefanten umzubringen. Er hat uns auch Höhlen von der bekannten Sydney-Trichternetzspinne gezeigt, deren Biss einen Menschen innerhalb einer Stunde töten kann. Seit den 1980ern gab es jedoch keine Toten mehr durch den Biss der Sydney-Trichternetzspinne dank eines groß angelegten Programms zur Entwicklung von Gegengiften. Was glaubst du, welche drei Tiere sind für die meisten Toten in Australien verantwortlich?

Skorpione?

Nein, die gibt es zwar auch, habe ich in den Blue Mountains aber nicht gesehen.

Giftige Quallen?

Das könnte man denken, die sind auch super gefährlich, zum Beispiel die portugiesische Galeere, aber nein, die gehört auch nicht zu den Top 3.

Haie?

In der Woche vor meiner Ankunft gab es zwei Haiangriffe in Australien, einer endete tödlich und bei dem anderen hat eine Frau ein Bein verloren. Haiangriffe gibt es ab und zu, zählen aber trotzdem nicht zu den Top 3.

Dann vielleicht tollwütige Hunde?

Nein, aber es geht in die richtige Richtung. Auf Platz 3 sind die Kängurus, auf Platz 2 die Kühe und auf Platz 1 die Pferde, und zwar alle aus demselben Grund, nämlich weil sie nachts, wenn es dunkel ist und die Straßen in ländlicheren Gebieten schlecht beleuchtet sind, auf die Fahrbahn laufen und für Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang sorgen.

Interessant und auch etwas beruhigend, dass es diese Tiere sind, die es auch in anderen Ländern gibt, und nicht die giftigen. Hast du denn ein Känguru gesehen?

Ja, ich habe zwei Kängurus gesehen, eins aus der Entfernung vollständig und eins nur mit dem Köpfchen im Gras.

Süß! Und dann warst du ja noch in Hongkong. Wie war das?

Auch sehr beeindruckend! Hongkong hat eine spektakuläre Skyline, aber ich fand vor allem faszinierend, dass es auch sehr viel Grün gibt, obwohl es eine der am dichtesten besiedelten Städte weltweit ist. Die Stadt ist zwischen Bergen und Hügeln eingebettet und bietet viele Wandermöglichkeiten. Man kann tolle Küstenpfade entlanglaufen oder hochfahren auf den Victoria Peak, den man in einer Stunde umrunden kann. Mit der Seilbahn bin ich nach Lantau Island gefahren, eine Insel vor Hongkong. Dort habe ich den Big Buddha gesehen und stand plötzlich mitten in den Bergen.

Das klingt traumhaft! Welche Reisen sind noch geplant?

An diesem Wochenende geht es nach Georgetown auf der Insel Penang, die zu Malaysia gehört. Die Stadt ist bekannt für sehr gutes Essen und Street Art. In der letzten Woche meines Aufenthalts sind fünf Tage Korea geplant, vor allem Seoul und ein Tag Busan im Süden Koreas.

Echt der Hammer, wie viel du siehst! Wie sieht zwischen den Wochenenden dein Arbeitsalltag aus?

Die Arbeitszeiten verlagern sich etwas nach hinten. Man fängt ein wenig später an, aber man hört dann auch ein wenig später auf. Die Arbeitsbelastung ist ähnlich wie in Deutschland. Von den Themenbereichen bin ich jetzt in einem recht IT-nahen Bereich tätig. Da geht es um das Rollout von neuen IT-Systemen, was ein komplexes Umfeld ist, aber das macht mir sehr viel Spaß.

Was waren deine Beweggründe, mit Psychologie in diese Richtung zu gehen?

Am Anfang habe ich mich sehr für das Thema Gesundheitsmanagement in Unternehmen interessiert. Das war einer der Gründe, warum ich Psychologie studieren und mich in diese Richtung weiterentwickeln wollte. Dann habe ich aber während des Studiums relativ schnell den ersten Job bekommen, der im Bereich der Personalauswahl verortet war. Dieser hat mir sehr viel Spaß gemacht, weil ich damit Kernthemen der Psychologie in Richtung Diagnostik in die Praxis umsetzen konnte. Deshalb habe ich in dem Bereich viele Jobs angenommen, aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich umschauen wollte, was es noch so gibt. Dabei habe ich festgestellt, dass es noch ganz andere Bereiche gibt, in denen ich meine Datenfähigkeiten und Datenaffinität aus dem Studium nutzen kann, um Psychologie mit IT zu verknüpfen und mich weiterzuentwickeln.

Würdest du heute wieder Psychologie studieren oder glaubst du, dass BWL oder Informatik für deine heutige Tätigkeit besser gepasst hätte?

Ich bin sehr zufrieden damit, Psychologie studiert zu haben, weil dieses Fach so viele unterschiedliche berufliche Perspektiven nach dem Studium bietet. Und trotzdem konnte ich meine Schwerpunkte im Studium setzen, indem ich BWL als Nebenfach gewählt und mein Studium durch Summerschool Kurse mit Informatik verknüpft habe.

Das Psychologiestudium deckt viele verschiedene Themenbereiche ab. Stellst du dir manchmal die Frage, was dir all diese Inhalte heute bringen?

Manchmal schon, aber dann merke ich wieder, zum Beispiel in der Gestaltung von Workshops, dass es von Vorteil ist, mich im Studium etwa mit pädagogischer Psychologie und dem Thema „Wie lernt der Mensch“ beschäftigt zu haben. Dies hilft dabei, solche Sitzungen so zu gestalten, dass die Teilnehmer*innen guten Anschluss finden und man nicht nur Inhalte vermittelt, sondern die Leute dabei auch motiviert.

Das trifft auch auf Therapie zu. Und würdest du wieder nach Singapur gehen?

Ja, definitiv! Singapur ist eine tolle Erfahrung, sicher eine der besten Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe. Ich wurde sehr herzlich in mein Team aufgenommen und habe an kultureller Kompetenz einiges dazugelernt.

Was beinhaltet kulturelle Kompetenz für dich?

Kulturelle Kompetenz bedeutet für mich, zu wissen und zu verstehen, wie Personen aus anderen Kulturkreisen denken, handeln und kommunizieren. Im Arbeitsumfeld beinhaltet das zum Beispiel das Wissen über Hierarchien oder die Feedbackkultur. In meiner Rolle habe ich viel mit unterschiedlichen Nationalitäten in der Region zu tun. Da jedes Land innerhalb von Asien unterschiedlich ist, muss ich mich auch jeweils darauf einstellen, wie ich auf eine Person zugehe und wie direkt ich zum Beispiel sein kann.

Wie unterscheidet sich die Feedbackkultur in Singapur von der in Deutschland?

Singapur selbst ist recht westlich geprägt, wodurch sich die Feedbackkultur nicht wesentlich von jener in Deutschland unterscheidet. Ein Unterschied ist jedoch, dass nonverbale Signale und indirekte Kommunikation eine etwas größere Rolle in den Interaktionen am Arbeitsplatz spielen. Wir Deutschen kommunizieren etwas direkter und können von asiatischen Kulturen lernen, unser Feedback positiv zu verpacken und neben Entwicklungsfeldern auch deutlich unser Lob und unsere Anerkennung auszusprechen.

Deine beste und schlechteste Erfahrung?

Schlechte Erfahrungen gab es bisher nicht. Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht und zwar so viele gute, dass ich mich gar nicht entscheiden kann, welche die beste darunter war.

Ein Kommentar

  • Norbert

    Danke, ein toller Bericht, der Lust auf mehr Informationen macht. Wie sind die Preise für all diese Ausflüge, die Reise nach Singapur und die für Wohnung und Lebensmittel….

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