Marokko: Road Trip mit Kamelritt durch die Wüste
Der Taxifahrer macht ägyptische Musik an. Er fährt waghalsig wie die vielen Mopeds, die sich durch das Verkehrschaos schlängeln. Von ihm erfahren wir, welche Sprachen in Marokko gesprochen werden: An 1. Stelle Arabisch, 2. Berberisch, 3. Französisch, 4. Spanisch, 5. Englisch, kein Deutsch.
Palmen ziehen im Laternenlicht vorbei. Wir lassen den riesigen, mit Sternen und arabischer Schrift verzierten Flughafen hinter uns. 1,5 Stunden haben wir für die Passkontrolle angestanden. Gegen 24 Uhr steigen wir am Hotel aus. Die Rezeptionistin sagt, es habe einen Buchungsfehler gegeben. Sie habe kein Zimmer für uns. Wir müssen von Hotel zu Hotel ziehen, immer wieder abgewiesen, wie Maria und Josef.
Die meisten Läden verkaufen nur Wasser und ungesunde Snacks, aber haben rund um die Uhr geöffnet. Wir kaufen drei Liter. Der Verkäufer kümmert sich gerade um eine Babykatze.
Schließlich stehen wir vor einer zwielichtigen Glastür, die mich an ein Computerspiel erinnert. Die Zähne des freundlich lächelnden Rezeptionisten sind genauso dunkel wie das Treppenhaus. In diesem Hotel ist noch ein Zimmer frei. Es wirkt wie ein untergegangener Palast, aus dem Licht und Leben gewichen sind. Ich hebe die Tagesdecke hoch und wirbele den Staub aus 1000 und 1 Nacht auf. Es gibt kein Klopapier, vielleicht ist es einer Mumie zum Opfer gefallen. Vielleicht handelt es sich um ein Geisterhotel, das hinter uns verschwindet wie eine Fata Morgana, als wir es am Morgen verlassen.
In einem Kiosk holen wir uns eine SIM-Karte des Anbieters Maroc Telecom. Damit können wir die nächsten 2 Wochen mobile Daten beziehen.
Wir tauchen in die Souks, die Märkte, von Marrakech ein. Bunte Gemälde, Gewürze, Geschirr, Tajinen, Kacheln, Schals, Teppiche, Wunderlampen, Einblicke in die Werkstätten, die noch von Hand arbeiten, Gemüse, Obst, Brot, Schweinefleisch, Hühner mit blassen Kämmen, in Käfige eingepfercht, und so viele Katzen … So viele Mopeds, die durch die engen Gassen an uns vorbeiflitzen. Es riecht nach Benzin, Urin, Kot, Gewürzen, Fisch und Koriander. Bis auf die Mopeds sehen Marrakechs Gassen noch genauso aus wie auf den Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Fotomuseum, auf dessen Dachterrasse wir eine herrliche Aussicht auf die Stadt genießen.
Auf dem berühmten Platz Jemaa el-Fna trinken wir einen superleckeren gemischten Fruchtsaft. Tagsüber ist hier noch wenig los, nur die Saftstände sind schon da und ein paar Schlangenbeschwörer mit Kobras. Wenige hundert Meter weiter die Koutoubia-Moschee, Marrakechs Wahrzeichen.
In unserer nächsten Unterkunft, die wir auf die Schnelle buchen konnten, werden wir mit einem Willkommenstee begrüßt. Der Gastgeber erläutert den Stadtplan und leiht uns seine Schlappen. Abends wollen wir noch mal auf den Jemaa el-Fna, um das wahre Treiben darauf zu erleben, aber als wir das Haus verlassen, schüttet und gewittert es. Etwa 20 Meter vor uns sprüht ein Schild Funken, vom Blitz getroffen. Die Häuser sind nicht besonders hoch, um Blitze abzufangen. Wir stellen uns mit einem Dutzend anderen Personen unter eine Markise. Jungs rennen die Fahrbahn entlang. Kutschen, Mopeds und Autos rauschen vorbei. Zwei Frauen versuchen ein Taxi anzuhalten, aber es fährt weiter. Die Straßen verwandeln sich in Bäche, die Wassermassen strömen in einen offenen Gulli. Es soll noch stundenlang weiterregnen. Nach einer halben Stunde beschließen wir, uns die 100 Meter zurück zum Hotel zu kämpfen. Wir waten durch die Suppe aus Exkrementen, Abfall und Schlamm, die Turnschuhe und Socken durchnässt.
Am nächsten Morgen erwartet uns ein üppiges Frühstück: Pfannkuchen, Omelett, Baguette, Marmelade, Streichkäse, Oliven. Das bekommen wir auch in allen weiteren Unterkünften serviert. Praktisch, da es scheinbar keine Supermärkte gibt.
Am Flughafen holen wir unseren Mietwagen ab und los geht unser Road Trip. Der Verkehr in der Stadt ist eine Katastrophe, aber auf der Landstraße fühlen wir uns trotz des hochbeladenen Lasters vor uns einigermaßen sicher. Wir müssen den Pass über das Atlasgebirge nehmen, der bis vor wenigen Jahren noch als eine der gefährlichsten Straßen der Welt galt. Inzwischen wurde die serpentinenreiche Strecke erneuert und mit Leitplanken versehen. Es gibt sogar einen Fahrradweg mit entsprechendem Schild. Ein Radfahrer zieht eine Radfahrerin hinter sich her den Berg hoch.
In roter Landschaft fahren wir durch rote Bergdörfer. Männer am Straßenrand strecken rote Steine wie Winkerkellen nach uns aus. Frauen tragen Kräuter aus den Bergen. Männer tragen Kutten und verkaufen Berge an Obst. Wie werden sie es bei so wenig Verkehr los?
In der Dämmerung erreichen wir unsere Unterkunft in Aït-Ben-Haddou. Der Pool wirkt trüb, das Zimmer ist dem Stil einer Lehmhütte nachempfunden. Die Besichtigung der Wüstenstadt muss bis morgen warten. Erstmal verzehren wir eine schmackhafte Tajine und trinken ein großes Glas frischgepressten Saft. Alkoholische Getränke gibt’s hier nicht. Dieser Saft ist so lecker und noch dazu günstig.
Zwischen 6 und 7 werden wir vom Muezzin geweckt. In Aït-Ben-Haddou wurden in den 60ern Hollywoodfilme wie „Cleopatra“ und „Gladiator“ gedreht, aber auch eine von uns gesehene Szene aus „Game of Thrones“. Hier gibt es viele Straßenhunde, die den niedrigen Fluss mit Leichtigkeit durchqueren. Für uns ist der Gang durch das Flussbett ohne nasse Füße momentan nicht möglich.
Zwischen den Lehmhäusern bieten Künstler ihre Waren an. Ein 25-jähriger Mann, der 5 Jahre älter aussieht, verkauft als einer von mehreren Postkartengemälde. Er zeigt uns die Technik mit Safran, „Marokkanischem Whiskey“ (Tee) und Zucker sowie Indigo als Farbstoffe, die er über der Flamme einer Gasflasche erhitzt. Die zerbeulten Gasflaschen, die wir schon auf der Fahrt gesehen haben, auf Lastern oder in Läden, entsprechen niemals europäischen Sicherheitsstandards. Wir kaufen dem Mann ein Bild ab, das Aït-Ben-Haddou zeigt. Er berichtet, zufrieden als Künstler zu sein, Schule habe er nicht gemocht. Englisch habe er sich im Gespräch mit Tourist:innen angeeignet. Seine studierten Freunde hätten vier Jahre gebraucht, bis sie einen Job in Marokko gefunden hätten oder seien nach Europa gegangen, sein Bruder erst nach Deutschland, dann nach Italien.
Oben haben wir eine tolle Aussicht auf die roten Berge. Bei dem Erdbeben letztes Jahr wurden rund 3000 Menschen getötet und auch Teile Aït-Ben-Haddous zerstört. Ich frage mich, ob die vielen grauen, unfertigen Häuser noch eine Fassade bekommen.
Später essen wir Couscous und machen noch einen Ausflug zur Kasbah Glaoui de Tamdakhte, einer Ruine. Wir gehen durch den Garten mit Obstbäumen, eine Palmen-Oase am Fluss. Da liegt ein Totenschädel, wahrscheinlich der einer Ziege. Auf der gegenüberliegenden Flussseite erheben sich Felswände, gespalten und teils durchlöchert von Berberhöhlen. Fragt sich, wie die Menschen damals hochgekommen sind.
Abends am Fluss sehen wir unter dem Mond das Storchenpaar, das auf der Moschee nistet, im Wasser stehen und geduldig nach Futter spähen. Fast jedes Minarett in dieser Gegend weist ein Storchennest auf wie einen Turban.
Am nächsten Morgen fahren wir weiter nach Tinghir, sehen Kasbahs auf dem Weg, die Filmstudios bei Ouarzazate, Hunde mit dicken Zitzen, das Dades-Tal, das ein kanadisches Paar, dem wir später auf der Reise begegnen werden, mit dem Grand Canyon vergleicht. Zweimal werden wir bei einer Polizeikontrolle angehalten, viel häufiger durchgewunken.
Dann erreichen wir die Ausläufer von Tinghir, nicht fertiggestellte Wohnhäuser kreuz und quer. Unser Hotel in Tinghir bereitet uns wieder eine äußerst günstige Nacht mit Frühstück und Pool. Tauben sitzen auf der Stange des Pools, baden und kacken. Wir sehen uns lieber die spektakuläre Todra-Schlucht eine halbe Autostunde entfernt an. Da wirft ein alter Mann Fischfutter in die Quelle, die dem Berg entspringt. Fische tauchen auf. Eine Show für diejenigen, die dem Reisebus entspringen. Hinter der Schlucht wird gebaut: Sommerresidenz oder Hotel?
Weniger touristisch geht es in der Moschee Ikalalne zu. Der Weg führt durch einen Palmenhain dorthin. Auf den Feldern arbeiten Frauen, Esel und Männer, die sie reiten. Die halbverfallene Moschee mit der ehemaligen Koranschule gehört zu den wenigen in Marokko, die Nicht-Muslim:innen betreten dürfen. Der Hausmeister versucht, sie mit Spenden der Besucher:innen zu renovieren. Er führt uns und ein anderes deutsches Paar durch den alten Waschraum, Gebetssaal und auf die Terrasse mit wunderschöner Aussicht. Wir dürfen sogar fotografieren, das wird für Publicity ausdrücklich gewünscht. Ich habe auf der ganzen Reise nur 2 mal 5 Sterne vergeben: einmal hierfür –
– und einmal für die Lalla Mimouna-Quellen. Ein alter Künstler namens Zaid hat um sie herum einen Garten gepflanzt und ein heimatkundliches Museum errichtet, mit einer Ziege, marokkanischer Handwerkskunst und Zitaten über Gärten und Reisen, sogar Goethe und Schiller sind dabei. Zaid spricht Deutsch, habe in Heidelberg studiert und sei 20 Jahre in Agadir Fremdenführer gewesen. Mein Lieblingszitat in seinem Garten ist: „Die Erde ist meine Heimat und die Menschheit ist meine Familie“ von Gibran Khalil. Nachdem er uns „Der Prophet“ ausdrücklich empfohlen und eine Karte mit seiner Kalligrafie dieses Zitats verkauft hat, fahren wir weiter.
Tramper:innen stehen am Straßenrand. Transporter nehmen manche auf der Ladefläche mit. In einem Dorf breitet sich eine riesige Pfütze vor uns aus. Ein Junge scheint nur auf uns gewartet zu haben. Er winkt uns in eine Seitenstraße und rennt vor uns her. Am Ende des hilfreichen Umwegs geben wir ihm Trinkgeld.
In Erfoud wird bald das Dattelfest gefeiert. Am Straßenrand werden Datteln verkauft. In einem Restaurant wird uns als erstes eine Dattel gereicht. Die beste Dattel meines Lebens, aus Raucherhand. Es ist unser letzter Halt vor Merzouga, dem Ort, wo die Sandwüste beginnt. Dabei ist auch hier schon Sahara, alles Sahara. Auf dieser letzten Strecke werden Fossilien verkauft, stehen Plastikdinosaurier, freie Kamelherden in der Steppe. Am Horizont sehen wir das 1. Mal den leuchtend orangenen Sand, fahren mit offenem Fenster darauf zu.
Wir werden von einem Jeep abgeholt und fragen uns, ob wir verwechselt werden. Eigentlich hatten wir Kamele gebucht. Der Fahrer lässt Luft aus den Reifen und rast dann mit uns auf der Rückbank über die Dünen, auf und ab. Ich komme mir vor wie in einem Fahrgeschäft. Er kann nicht wissen, ob jemand von der anderen Seite auf uns zurast. Ich bin froh, als wir das Camp erreichen.
Ein junger Mann namens Hassan zeigt mir unser Zelt und drückt mir ein Snowboard in die Hand. Damit soll ich die Düne runter surfen. Die ist mir zu steil, ich übe erst ein flaches Stück. Das macht Spaß, aber nur kurz. Unsere eigene Karawane mit 7 Kamelen wartet schon. Ich steige auf das vorderste Dromedar. Gut festhalten – wenn sich das Kamel erhebt oder in die Knie geht, wird es steil und holprig. Der Kameltreiber führt uns zu einer entfernten Düne. Er fotografiert uns und breitet eine Decke aus. Eine halbe Stunde dürfen wir uns darauf den Sonnenuntergang ansehen. Nach allen Seiten hin können wir das Ende der Sandwüste erspähen. Auf dem Luftbild sieht Erg Chebbi aus wie ein Sandkasten, für den Tourismus zusammengefegt. Aber trotz der vielen Quads, Mopeds, Jeeps und Menschen, die Tierwelt und Idylle stören, ist dieser Ort echt.
Zum Abendessen gibt es Tajine und wir lernen das bereits erwähnte kanadische Paar kennen. Sie berichten, dass sich genau hier in der Wüste vor wenigen Tagen bei dem Unwetter ein nie gekannter See gebildet habe.
Unter den Sternen tanzen wir mit einer asiatischen Reisegruppe zu Trommelgesang um ein Lagerfeuer. Selbst trommeln dürfen wir anschließend auch, die Marokkaner zeigen es uns.
Gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang werden wir wach. Dann die Überraschung: Zurück geht es nicht mit dem Jeep, sondern auf Kamelen. Der heutige Kameltreiber geht weniger gut mit den Tieren um als der gestrige. Er beruhigt sie zwar mit einem „Sch“, wenn es abwärts geht, zwingt sie aber mit Tritten gewaltsam in die Knie. Die Kamele gucken bekümmert drein, Tränenspuren im Gesicht. Sie sind mit Leinen an den Mäulern aneinander festgebunden. Es fühlt sich falsch an, sie für mich laufen zu lassen. Nach dem knapp einstündigen Ritt ohne Sattel und Steigbügel kann ich es kaum noch.
Wir fahren weiter nach Midelt in the Middle für eine Übernachtung auf der langen Strecke zwischen Merzouga und Fès, tote Berge entlang, an einem leblosen See vorbei. Nach Midelt sehen wir tote Hunde und einen toten Esel am Straßenrand liegen. Die Herde hat ihn noch nicht verlassen. Trotz Tempolimit fahren viele zu schnell.
Dann wird es grüner. Als wir durch einen Zedernwald fahren, sitzt da plötzlich ein Berberaffe am Straßenrand. Ein paar Meter weiter sitzen zwei Affen auf einem Baum und werden von zwei Hunden angebellt. Auf der anderen Straßenseite wird ein großer Affe von zwei Personen umringt. Dabei wird vor Tollwut in Marokko, ausgehend von Hunden, Katzen und Affen, gewarnt.
Dahinter liegt die Stadt Ifrane, deren Baustil vom Schwarzwald abgeguckt scheint. Hier fühlen wir uns fast wie in Deutschland, bei angenehmen Temperaturen und Herbstlaub.
Fès hingegen scheint wieder Marokko durch und durch, ein Labyrinth aus Gassen und Souks, mit einer Gerberei, die den Geruch nach toter Tierhaut und Vogelmist über die ganze Stadt verteilt. Ratten sehen wir nirgends, dafür scheint es genug Katzen zu geben. Manchmal erhaschen wir einen Blick in eine Moschee, auch in die älteste Universität der Welt, die Al-Karaouine. Betreten dürfen wir die wunderschönen Tore als Nicht-Muslime nicht.
Im andalusischen Viertel drängt sich uns ein Mann auf, der uns eine Stadtführung gibt. Er zeigt uns einen Aussichtspunkt, Hinterhöfe, Riads, Fatimas schützende Hand an Türen, das jüdische Viertel in Blau, Weber bei der Arbeit, einen Wunderheiler, Arganöl, ehemalige Unterkünfte für Karawanen… Er erklärt, dass es in jedem Viertel fünf Dinge gebe: Bäckerei, Brunnen, Koranschule, Moschee und Bad. Ein kleiner Junge pinkelt in einen Brunnen. Aus einem anderen trinkt ein Hund. Unser Stadtführer führt uns am Ende in einen weiteren Hinterhof und will für seine Leistung 500 Dirham von uns haben.
Ein Geheimtipp für Vegetarier:innen in Fès ist Mister Falafel, auch wenn er neben einem Stand ist, wo Hühner auf offener Straße geschlachtet werden. Selbst beim Weggucken ist das nicht zu überhören. Die Därme werden an Katzen verfüttert. Irgendwo in dieser Stadt hängt auch der Kopf eines Kamels. Wir begegnen ihm auf dem Weg zum Park. Dort gibt es größere Vogelkäfige. Einem Hahn fehlen die Schwanzfedern.
Ein paar kleine Jungs, die offenbar nicht zur Schule gehen, kommen immer wieder mit Taschentüchern auf uns zu. Einem geben wir die viel zu süßen Süßigkeiten, die wir auf dem Souk gekauft haben.
Vom Bab Nord aus überblicken wir die gesamte Stadt hinter den Stadtmauern im Sonnenuntergang. Hier ist ein riesiger weißer Friedhof. Ein Mann streichelt einen Straßenhund, der die Berührung schwanzwedelnd genießt. Von oben lässt sich das bunte Treiben in den Gassen nicht erahnen. Schwarzer Rauch steigt von diesem und dem gegenüberliegenden Hügel auf. Müllverbrennung.
Am nächsten Tag geht es über die Autobahn mit Maut weiter über Meknès nach Rabat. Auch Meknès hat einen Souk, einen Platz mit Schlangenbeschwörern und ein Bab, das das schönste Tor Marokkos sein soll. Heute wird es allerdings von einer Baustelle verdeckt, die auch den Weg zum Mausoleum dahinter versperrt.
Rabat wirkt als Hauptstadt ungewohnt sauber, grün und überschaubar, genauso der Souk. Die Militärpräsenz ist direkt beim Einfahren in die Stadt groß. Die Abendstimmung in der Nähe des Leuchtturms ist magisch. Links von der Mole sind die Wellen zu hoch, hier traut sich niemand ins Wasser. Rechts von der Mole nutzen Surfer und Schwimmer das letzte Licht. Es wird dunkel, als wir die Mole entlanglaufen, an deren Ende Wellen zu Duschen werden. Hier knutscht ein Paar, sie trägt ein Kopftuch.
Ansonsten sehen wir in Rabat mehr Frauen mit offenem Haar, eine Buchhandlung in der Kasbah des Oudayas, Bücherstände und die Nationalbibliothek, wo wir unsere Reisepässe vorzeigen müssen und wie Geheimagenten beobachtet werden. Wir nutzen eine moderne Straßenbahn. Die Besichtigung des Mausoleums am Hassan-Turm ist kostenlos. Hier liegen der Großvater und Vater des Königs. Der krönende Abschluss sind drei schwarze Babykatzen, die im bereits geschlossenen andalusischen Garten kämpfen.
Zwischen Rabat und Casablanca sitzen wir am Strand und schauen den Surfschüler:innen zu. Oft sehen wir nur noch das Board auf den Wellen.
Kurz vor Casablanca taucht ein IKEA-Schild auf. Wir können nicht widerstehen und essen dort vegetarisch zu Mittag, dreifache Portion. In Casablanca wurden die Ampeln abgeschaltet, vermutlich, weil sich niemand an die Verkehrsregeln hält. Die Kreuzungen sind ein einziges Chaos. Ein Verkehrspolizist versucht verzweifelt zu regeln, aber hinter seinem Rücken wird einfach gefahren. Die Stadt war vielleicht mal weiß, aber inzwischen ist sie grau. Groß. Laut. Nur die Moschee Hassan II strahlt wie ein Pfau unter Tauben. Dort springen zwei Jugendliche immer wieder in die Wellen. Ein paar Schritte weiter fahren Kinder in Wassertieren auf offenem Platz eine Art Autoscooter. Es fährt auch eine junge Frau mit Kopftuch mit. Allein. Genießt sie eine Freiheit, die sie sonst nicht kennt? Während ich sie beobachte, werde ich fast von einem Seepferdchen überfahren. Das wäre es noch gewesen, nachdem ich schon so vielen Mopeds erfolgreich ausgewichen bin.
Wir stoßen auf weitere Kinderparadiese, mit Hüpfburg und Wellenrutsche – wie die Moschee ein bunter Kontrast neben dem Viertel der Autowerkstätten. Wir sehen eine einäugige Babykatze, zum x-ten Mal. Im Schatten einer Kathedrale in einfachem Stil findet in einem Park ein Hundetreff statt. Hier können die Hunde frei laufen, nur von einem Netz begrenzt. Zwei kleine Hunde sind aneinander geleint wie Kamele, so etwas habe ich noch nie gesehen. Der helle dominiert den dunklen, sieht witzig aus. Und dann ist da noch der Platz mit dem Gericht, Rathaus und Brunnen sowie die Feuerwache.
Nachdem wir neben einem Schuhputzer gefrühstückt, ihm Kleingeld und eine Zimtschnecke gegeben haben, brechen wir erneut nach Marrakech auf. Dort schließt sich der Kreis. Wir wollen auf den Jemaa el-Fna am Abend, essen zu Mittag in einer Mall, wo wir den einzigen Supermarkt besuchen. An der Ampel quetscht sich ein Mofa an uns vorbei, rammt uns, macht eine entschuldigende Geste und begeht Fahrerflucht. Der Blechschaden wird bei der Autorückgabe vermerkt, genau wie eine Schramme, von der wir nichts mitgekriegt haben. Gut, dass wir versichert sind.
Morgen werden wir zurückfliegen. Wir werden drei Stunden am Flughafen in Warteschlangen stehen: am Eingang, am Check-in-Schalter, am Board-Karten-Scanner, an der Pass- und Sicherheitskontrolle. Für den Flughafen Marrakech muss man viel Zeit mitbringen.
Aber daran denken wir heute noch nicht. Ohne Auto erwischen wir einen Seelensammler-Bus. Er ist gerammelt voll. Wir stehen gekrümmt an der Windschutzscheibe, die bereits Risse hat. Beim Aussteigen drückt der Geldkassierer meinen Kopf nach unten, so stoße ich ihn mir nur leicht.
In der Dämmerung ist auf der Straße zum Jemaa el-Fna viel los. Auf dem Platz sammeln sich Musiker, Schausteller und Geschichtenerzähler. Einheimische stehen um sie herum und feiern. Das ist die bezaubernde Seite. Aber es gibt auch eine grausame: Greifvögel mit gestutzten Flügeln und Berberaffen an Ketten. Ein Affenbaby springt noch dagegen an, immer wieder gestoppt vom Ring am Hals, während die älteren Affen nur noch Marionetten sind, auf den Arm genommen und verstört von so vielen Reizen. Morgen schreibe ich der UNESCO, die den Platz als Weltkulturerbe schützt.
Wir werden in keinen Bus mehr gelassen, so voll sind sie. Unser letztes marokkanisches Geld reicht nicht für ein Taxi bis zur Unterkunft. Der Taxifahrer nimmt uns trotzdem mit.
Ein Kommentar
Anonymous
Wieder einmal ein toller Bericht und schöne Fotos.
Vielen Dank dafür!