Über mich

Ich bin Marienkäfer, kein Schmetterling

Marien hatte sich in zwei Schmetterlinge verliebt, die viele Insekten bewunderten. Libellen priesen die farbensatte Intransparenz ihrer Flügel, Mücken ihre ungeheure Großzügigkeit, Bienen ihre ultraviolette Zartfühligkeit und eine Hummel mochte von der Lautlosigkeit ihres Tanzes ganz hingerissen sein, doch kein Insekt war so sehr von den beiden verzaubert wie Marien. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht von ihnen träumte, und wenn er sie sah, fühlte er Glück und sehnte sich nach ihnen. Nie hatte er vorher so schöne und anmutige Wesen gesehen, die so liebevoll und leuchtend miteinander tanzten; nichts wünschte er sich sehnlicher, als selbst einmal mit ihnen zu fliegen, ebenso frei und leicht und glanzvoll wie sie. Und eines Tages, als sie wieder an Marien vorbeiflogen, traten seine Flügelchen tatsächlich hinter dem schwarzgepunkteten roten Kleidchen hervor und er versuchte mit aller Anstrengung, die Flügel so zu bewegen wie seine beiden Vorbilder. Um nur einmal wie sie, ein einziges Mal nur mit ihnen durch die pollensatte Luft zu flattern …

Diese kurze Geschichte schrieb ich, als ich jünger war und mich selbst mit bestimmten Personen anfreunden wollte. Sie hat kein Happy End: Der Marienkäfer hebt nicht ab. Er kann nicht fliegen, indem er die Flügel so langsam bewegt wie Schmetterlinge. Er muss es schnell tun. Es liegt in seiner Natur, dass er fliegt, und wie.

Ich fühlte mich anders, weniger chic, weniger cool, weniger wert als diejenigen, die ich bewunderte. Ihnen hinterher kam ich mir unter ihnen, klein vor. Als Fan gelang es mir nicht, ihr Freund zu werden. Sie spielten Selbstbewusstsein, ich schwärmte still für sie. Aber wenn ich ihnen heute begegne, leuchten sie in meinen Augen nicht mehr als ich oder andere. Aus der räumlichen Distanz erkenne ich, dass sie keine fehlerlosen Schmetterlinge sind, sondern Menschen.

Ich ahnte es damals schon: Nicht Mücke, sondern Marienkäfer – ich kann anderen Glück bringen und Freude bereiten, wenn ich aufhöre zu versuchen, mich fremder Schönheit anzupassen und akzeptiere, wer ich bin. Aus der zeitlichen Distanz erkenne ich, dass ich kein Marienkäfer bin, sondern ein Mensch, der Fehler machen kann, was o.D. (ohne Druck) ist.

Vielleicht werden wir so eines Tages Freunde.

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