Wahn: Das verschwundene Dorf
Nach meinem Besuch in der Siedlungswüstung Wahn habe ich das folgende Gedicht geschrieben. Dabei habe ich eine neue Technik angewandt: Zuerst habe ich die einzelnen Verse geschrieben und diese dann angeordnet. Auf dem Bild sind manche Verse schwach lesbar. Mein Schreibmaschinenband war am Ende. Unten im Beitrag könnt ihr das Gedicht deutlich lesen.
Das Dorf Wahn wurde in der NS-Zeit für die Erweiterung eines Schießplatzes zwangsgeräumt und anschließend zerstört. Bis dahin hatte es mindestens 1000 Jahre existiert. Rund 1000 Menschen, 177 Familien, wurden umgesiedelt. Nur zwei Jahre vor Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg gingen die letzten.
wer nannte es Wahn?
war es Zufall, dass Hitler Wahn abreißen ließ?
sie ließen Wald darüber wachsen, nicht Gras
Gedenktafeln wie Steine fürs Hofstellen-Grab
der Weg noch derselbe, ungeeignet fürs Rad
Großväter und Enkel: Kinder namens Bernhard
Hermann und Heinz, auf dem Familienfoto schwarzweiß
sie mussten gehen, andere fliehen
das Bild zeigt das Anwesen, als es noch anwesend war
nur ein Sprung nach Neu-Wahn, sechs Kilometer knapp
eine Chance, nach Mecklenburg zu ziehen
wen zerriss es?
Grete wohnte im Pastorat, starb mit 100 letztes Jahr
der Grundriss der Kirche, das Chorraum-Mosaik
so könnte unsere Stadt in 100.000 Jahren aussehen
einzig den Friedhof ließen sie stehen
wer heißt noch so – wer war in Thekla verliebt?
sie starb als Letzte in Wahn
das Scheiß Schießfeld, immer noch fürs Militär
Wahn ist nicht witzig – keine Wortspiele mehr
Hecken von damals: heute Buchen in Reih und Glied
80 Jahre her und noch immer trifft man sich
es ist unbekannt, wohin er gegangen ist
das letzte Dorf, dessen Abriss geplant geschieht?
Ein Kommentar
PS
Du triffst mit Worten den Wahnsinn. P.S. Interessante Technik