Utrecht: Fahrradstadt von morgen schon heute
Meine sehr geehrte Abgeordnete,
ich kontaktiere Sie heute als meine von mir und in meinem Wahlbezirk direkt gewählte Vertreterin im Rat der Stadt Münster. Anlass ist mein Besuch in der niederländischen Stadt Utrecht am vergangenen Wochenende: Utrecht ist eine Fahrradstadt. Das war mir im Vorfeld meines Besuchs dort sehr wohl bewusst, sodass ich mein eigenes Fahrrad dorthin mitgenommen habe. Und tatsächlich ist die Radinfrastruktur dort erstklassig: Geebnete, baulich geschützte Radwege, zahlreiche Fahrradstraßen, priorisierte Ampelphasen für Radfahrende, automatische Vorrangschaltungen durch Sensoren in den Radwegen, zahlreiche öffentliche und kostenfreie Toiletten sowie öffentliche Trinkwasserbrunnen und kostenfreie oder günstige Fahrradparkhäuser mit abertausenden Stellplätzen überall in der Stadt.
Zurück in Münster, das sich ebenfalls Fahrradstadt schimpft, können jeder Radfahrerin und jedem Radfahrer nur die Tränen kommen. Hier gibt es überhaupt Fahrradwege, ja, auch vereinzelt Fahrradstraßen, und Ampeln speziell für Radfahrende gibt es auch. Aber dann hört es auch schon auf. Nicht umsonst hat Münster zwar die Auszeichnung als Fahrradstadt, aber bei Weitem keine Bestnote bekommen und das zu Recht.
Ich fahre seit Jahren Fahrrad in Münster. Auf meinem Arbeitsweg liegen 21 Ampeln, von denen bei angestrengt zügigem Fahrstil neun Ampeln immer Rot zeigen, teilweise mit Wartezeiten von mehr als einer Minute. Bei gemütlichem Fahrstil sind es regelmäßig 12 Rot zeigende Ampeln auf dieser Strecke. Den Grund dafür erkennt jede aufmerksame Beobachterin schnell: Die Schaltungen der Ampeln sind auf die Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs abgestimmt.
Angesichts des immer schneller voranschreitenden Klimawandels und der offensichtlich dringend zu bewerkstelligen Verkehrswende stellt sich doch die Frage, wie man das Fahrrad als umweltschonende Alternative zum Auto attraktiv machen kann. So jedenfalls nicht. Dabei würde es doch nicht einmal Kosten verursachen, die Ampelschaltungen auf den Radverkehr abzustimmen (von Sensoren auf den Radwegen wie in Utrecht müssen wir ja gar nicht sprechen, das ist für eine deutsche Stadt selbstverständlich nicht zu realisieren). Ich würde mir wünschen, dass der zuständige Ausschuss einen kleinen Ausflug in unser hinsichtlich des Radverkehrs so viel fortschrittlicheres Nachbarland unternehmen würde – oder wenigstens einmal mit dem Fahrrad in Münster ein paar Strecken ausprobieren. Bei einer solchen Probefahrt würden nicht nur schlecht abgestimmte Ampelphasen auffallen, sondern auch gänzlich unnütze Ampeln, uneindeutige Verkehrsführungen für Radfahrende und gefährlich enge Kurven auf den Radwegen. Das Linksabbiegen ist beispielsweise an fast jeder größeren Kreuzung ein Grund dafür, zwei bis drei Minuten mehr Zeit einzuplanen, weil die Ampeln dem Auto so viel mehr Priorität einräumen (in Utrecht oder Enschede etwa bekommen Radfahrende nach jedem Auto-Grün freie Fahrt für alle Richtungen). Auch fährt es sich im Ludgerikreisel lebensgefährlich, die Unfallstatistik ist Zeuge. In Utrecht bekommen Radfahrende einen Schutzstreifen auch innerhalb der Kreisverkehre.
Ich möchte Sie also bitten, als meine Vertreterin im Rat der „Fahrradstadt“ Münster und mit der historisch einmaligen Stärke Ihrer Fraktion selbst oder mit der Hilfe von Kolleginnen und Kollegen in den entsprechenden Ausschüssen darauf hinzuwirken, das Fahrradfahren statt durch den Erwerb von teuren Leezenflow-Countdown-Uhren mit kostenlosen Maßnahmen wie einer Optimierung von Ampelphasen tatsächlich attraktiv und sicher zu machen.
Ich würde mich darüber freuen, demnächst von Ihnen zu hören, welche konkreten Maßnahmen Sie ergriffen haben, um eine solche Attraktivitätssteigerung des Radfahrens in Münster zu bewirken. Sollte aber nicht einmal eine Optimierung von Ampelphasen möglich sein, was mir bei bestem Willen nicht einleuchten möchte, so wäre ich an einer Erläuterung der dafür verantwortlichen Stelle sehr interessiert und möchte Sie um das Einholen einer solchen bitten.
Vielen Dank im Voraus und mit freundlichen Grüßen
Ein Kommentar
Norbert
Super, guter Bericht zu ich hoffe, dass es etwas bewirkt, habe aber erfahrungsgemäß meine Zweifel
Schöne Grüße